Eine Open Space Tagung
zur ethischen Gestaltung von und politischen Haltung
zu neuen Automatisierungssystemen
25. August und 20. Oktober 2018
Köln
veranstaltet durch den
European Business Council for Sustainable Energy (e5)
und den
Verein zur Erforschung zukunftsfähiger Lebensstile e.V.
Wie können wir die neuen Technologen für die Förderung von konkreten sozialen, kulturellen und ökologischen Gemeingüter nutzen? Welche Gefahren bergen sie andererseits für das Gemeinwohl? Wie wehren wir Gefahren ab und dämmen Schäden für Gemeingüter ein?
In zwei kleinen Tagungen werden wir diese Fragen zur ethischen Gestaltung von und politischen Haltung gegenüber den neuen Automatisierungstechnologien untersuchen. Sie sind als OpenSpace-Workshops für interessierte Experten aus dem Bereich der Blockchain-Technologie, der politischen Ökonomie, der Gemeingüterbewegung und der philosophischen Ethik vorgesehen. Die Veranstaltungen dienen dem freien Nachdenken und einem ersten Austausch von Informationen und Einschätzungen.
Tagungsort: | Werkstatt Dritter Ort, Berliner Strasse 462, 51061 Köln |
Datum: | 10 bis 18 Uhr |
unterstützt durch GALLEHR+PARTNER ®
Teilnahmevoraussetzung:
Wir bitten um eine Anmeldung per Email, bei der kurz der eigene fachliche Hintergrund als auch das Interesse an der Thematik erläutert wird. Die Anzahl der Teilnehmenden ist auf 20 beschränkt. Bei der Auswahl der Teilnehmerinnen werden die Organisatoren auf eine gesunde Mischung von Denkstilen achten.
Eine Teilnahme ist nur möglich bei Besuch beider Veranstaltungen, damit auf dem Erarbeiteten aufgebaut werden kann. Um bestimmte grundsätzliche Diskussionen zu umgehen, wird in den Tagungen zudem die folgende ethisch-ökonomische Grundannahme vorausgesetzt: Die neuen Automatisierungssysteme werden in den Tagungen als Gemeingüter betrachtet. Genauer gesagt: Sie sollen als Systeme betrachtet werden, a) in denen gleichberechtige Nutzer gemeinsam ein Gemeingut erzeugen und b) deren Ausweitung soziale, kulturelle und ökologische Gemeingüter im Sinne der Nachhaltigkeit möglichst fördern sollen. Daraus ergibt sich, dass Grundkenntnisse der Blockchain-Technologie sowie der Commonstheorie von Elenor Ostrom eine Teilnahmevoraussetzung ist. Die geplanten Einführungen im ersten Workshop ersetzen diese Grundkenntnisse nicht.
Programm:
Tagesplan WS 1: 10:00 Ankommen
10:30 Einführung Blockchain- und Distributed Ledger Technologies
11:00 Einführung Gemeingüter
11:30 Sammlung von Ideen zum Workshop-Thema sowie der Themen für die drei Open Space Workshops
+ Abstimmung zu den Themen
12:30 Mittagessen
14:00 Start von drei parallelen Workshop-Runden
16:00 Kaffeepause
16:30 Bericht aus den Runde + Verständnisfragen
17:00 Fazit und Kommentierung
18:00 Ende
Tagesplan WS 2: 10:00 Ankommen
10:30 Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Workshops
11:00 Kommentierung durch die Teilnehmer_innen
11:30 Sammlung von Ideen zum Workshop-Thema sowie der Themen für die drei Open Space Workshops
+ Abstimmung zu den Themen
12:30 Mittagessen
14:00 Start von drei parallelen Workshop-Runden
16:00 Kaffeepause
16:30 Bericht aus den Runde + Verständnisfragen
17:00 Fazit und Kommentierung
18:00 Ende
Organisatorisches:
Organisatoren: Sebastian Gallehr (e5, Gallehr & Partner)
Julio Lambing (Verein zur Erforschung zukunftsfähier Lebensweisen)
Robert Lehmann (Universität Greifswald, Institut für Philosophie)
Teilnehmer_innen: max. 20 Personen (ausschließlich Menschen)
Voraussetzung: Grundkenntnisse der Blockchain-Technologie
sowie Grundkenntnisse der Gemeingütertheorie von Elinor Ostrom
Beschreibungstext:
Die Blockchain-Technologie und die damit zusammenhängende Entwicklung von digitalen Smart Contracts- Automatisierungen. eignet sich nicht nur dazu alternative Währungen zu entwickeln. Eine Vielzahl an Konzernen, Kleinunternehmen; Forschungsinstitutionen und Initiativen erforschen gerade die Einsatzmöglichkeiten. Auch für öffentliche Verwaltungen und Staaten mögen sich Chancen bieten. Erkennbar wird, dass die Blockchain-Technologie – oder auch Distributed Ledger Technologie – Einzug in die Verwaltung vieler Lebensbereiche halten könnte.(1)
In der Blockchain-Technologie werden durch digitalen Code menschliche Aktivitäten auf automatisierte Prozesse der Datenverarbeitung delegiert. Die öffentlich kontrollierte, automatisierte, dezentrale und massenhafte Durchführung von revisionssicheren Verwaltungsschritten, die mit der Blockchain-Technologie und verwandten Ansätzen möglich wird, kann ganz neue Formen von Institutionen und Organisationen schaffen. Die Unveränderlichkeit der Dokumentation dieser Verwaltungsschritte als auch die digitale Ewigkeit eines solchen Systems wird von Experten als ein Kernbestandteil des Blockchain-Ansatzes betrachtet. Besondere Entwicklungspotentiale könnten vielleicht auch darin liegen, wenn die Systeme durch den Einsatz von künstlicher, selbstlernender Intelligenz zu eigenständigen lernenden und autonom agierenden Akteuren werden.(2)
Ob mit oder ohne künstliche Intelligenz, die Automatisierungssysteme werden wahrscheinlich neben Ersparnis an Aufwand und Zeit auch weitere Wirkungen haben: auf die an dem System freiwillig und unfreiwillig teilnehmenden Menschen sowie auf die soziale, wirtschaftliche, kulturelle, physische und ökologische Umgebung. Als Beispiele seien hier der hohe Energieaufwand für das System der Bitcoin-Währung und die darin liegenden ökologischen Implikationen und die Nutzung des Bitcoins als anonymisiertes Zahlungsmittel für kriminelle Aktivitäten genannt. Aber wenn „Code“ zu „Law“ wird, kann es auch weitere Effekte geben:
Zum Beispiel liegen den Automatisierungssystemen einerseits Grundannahmen über menschliche Wünsche, Präferenzen und Reaktionsweisen, andererseits Vorstellungen über die Funktionabilität und Effizienz eines Systems an menschlichen Interaktionen zugrunde. Diese jeweiligen Grundannahmen und Vorstellungen (z.B. dass Menschen egoistische Nutzenmaximierer in steter Konkurrenz zueinander sind) könnten bei hinreichender Verbreitung des Systems mit sozialer Wirkmacht ausgestattet und durch die Automatisierungssysteme verewigt werden. Welche soziale Welt erschaffen sie damit? Vor allem dort, wo die Automatisierungssysteme bei alltäglichen Mikropraktiken zum Einsatz kommen, stellt sich die Frage, wie wir darauf reagieren, wenn sie Verhaltensweisen fördern, die hochproblematisch sind.
Eine weitere Problematik mag in dem Phänomen liegen, dass auch hier Computer Regeln anwenden. Das ist nicht neu, aber der Vollzug ohne menschliche Endkontrolle, der einerseits das Problem „wer kontrolliert die Kontrolleure“ löst, andererseits aber kein „Augenmaß“ beim Vollzug zuläßt ist neu. Menschliches Alltagshandeln ist wesentlich komplexer als das einfache Befolgen von Regeln. Die Anwendung von Regeln geschieht nie kontextlos. Wir kennen aus dem Alltagsleben vielfach die Graubereiche und Interpretationsspielräume bei Vereinbarungen und Interaktionen, deren Bewertung sich nicht so leicht in Nein oder Ja ausdrücken lassen. Im Betrieb komplexer Institutionen kennen wir den menschlichen Faktor: Wir wissen, dass es bei den Entscheidungsträgern Raum für Menschlichkeit und Augenmaß geben muss, die bisweilen strikten Interpretationen von Regeln widersprechen, damit das Regelsystem dem Gemeinwohl dienen kann. Was ist, wenn dieser menschliche Faktor bei zentralen Interaktionen verschwindet?
Hier zeigt sich eine politische Dimension bei der Blockchain-Technologie und verwandten Ansätzen: Gemeinwohl, also das Gedeihen des Lebendigen, entsteht nicht einfach durch das freie Spiel der Kräfte. Gerechtigkeit, Freiheit, Würde, Wohlstand, Bildung, Gleichberechtigung, Demokratie, Lebensentfaltung und Vermeidung von Leid sind Dinge, die aktiv geschaffen werden müssen. Es ist nicht garantiert, dass alle oder auch nur die meisten der neuen Automatisierungssysteme solchen Zielen förderlich sind, selbst wenn sie so intendiert sind bzw. waren.
Wie reagieren wir dann in Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur oder Politik? Was müssen wir vorbereiten? Wo können wir die Entfaltung eines solchen Systems einfach geschehen lassen? Wo müssen wir die neuen Technologien gestalten? Was müssen wir bremsen? Wie tun wir das? Wie gestalten wir Forschung und Entwicklung, wirtschaftliche Strukturen, politische Institutionen, gesetzliche Regelungen so, dass unser Gemeinwohl von Blockchain-Technologien gefördert und nicht geschädigt wird?
Zum zweiten gibt es eine ethische Dimension bei der unmittelbaren Ausgestaltung solcher neuen Automatisierungssysteme: Wie gestalten wir sie so, dass sie gemeinwohl förderlich sind? Das beinhaltet eine Vielzahl weiterer Fragen. Vielleicht unter anderen die Folgenden:
Welcher sozialer Vertrag ist in den Regeln des Blockchain-Systems erkennbar? Ist es ein guter Vertrag?
Welche Verhaltensweisen sollten Blockchain-Systeme in Sozialgebilden fördern?
Wie arrangieren wir die Governance? Soll die Automatisierung, also der Code, nachträglich geändert werden können? Von wem, nach welchen Kriterien, in welchem Procedere? Welcher Grad an Transparenz ist notwending für eine kompetente Entscheidungsfindung?
Was muss an Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit Menschen verstehen können, wie das System arbeitet und welche Annahmen ihm zugrunde liegen? Welche Informationen brauchen sie um es beeinflussen und möglicherweise verändern zu können? Welche Sprache ist notwendig dafür?
Welche Fähigkeiten müssen Menschen verfügen, um mit diesen neuen Technologien umgehen und sie gestalten zu können? Müssen wie die Eingangshürden senken, um Chancengerechtigkeit herzustellen?
Welche Voraussetzungen müssen vorhanden sein, damit Nutzerinnen und Betroffene Gehör für ihre Interessen finden, unabhängig von der Frage, ob sie berücksichtigt werden? Welche Voraussetzungen müssen vorhanden sein, damit Dissens über die die Entwicklung des Systems Gehör findet? Wer findet nach welchen Kriterien Gehör? Welche Folgen hat es?
Inwieweit berührt das System die Ausübung der Menschenrechte z.B. das Selbstbestimmungsrecht auf Information?
Wie geht man mit der Unverändlichkeit (Immutability) der jeweiligen Blockchain um?
Es gibt verschiedene Kriterien anhand deren solche Fragen abgearbeitet werden können. Der hier im Vordergrund stehende Maßstab zur Bewertung der Implikationen neuer Technologien soll ihr Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung sein. Gemäß der ältesten politischen Definition (3) ist damit eine Entwicklung gemeint, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. Nach diesem Verständnis spielen die Grundbedürfnisse der Ärmsten der Welt als auch die Biokapazität der Erde, sich zu regenerieren, eine entscheidende Rolle.
Das Ideal der nachhaltigen Entwicklung können wir darüberhinaus aber auch als Handlungsmaxime verstehen, soziale, kulturelle und ökologische Gemeingüter aufzubauen und bestehende zu pflegen. Mit Gemeingütern (bisweilen auch „Commons“ oder „Allmenden“ genannt) sind hier nicht Ansammlungen von Dingen gemeint, sondern in letzter Konsequenz soziale Gebilde. Sie sind ein gemeinsames und gemeinschaftlich geteiltes Gut und zwar in Form von Umgangs- und Handlungsweisen, die eine klar definierte Nutzergemeinschaft im Umgang mit dem Lebendigen, Dingen, Fertigkeiten und Wissen praktizieren und denen innewohnt, dass die Nutzung gerecht und ohne schädliche Über- oder Unternutzung erfolgt.
In diesem Sinne sind die Weltmeere, die Erdatmosphäre oder die biologische DNS natürliche Gemeingüter. Traditionelle Allmenden im kleinräumigen Maßstab waren in Europa etwa gemeinschaftliche Weidewiesen oder dörfliche Backhäuser. Noch heute gibt es in einer Vielzahl von Weltregionen traditierte Gemeingüter, etwa dörfliche Bewässerungssysteme oder gemeinschaftlich organisierte Fischgründe. Wir können auch Kulturtechniken wie Sprache, Volkslieder, musikalische Kompostionslehren oder Yoga als Gemeingüter begreifen. Die Entwicklung der modernen Informationstechnologien hat zudem eine Vielzahl an neuen wissensbasierten Gemeingütern entstehen lassen. Open Source Software wie Linux oder die Online-Enzyklopädie Wikipedia sind dafür nur die bekanntesten Beispiele. Schließlich hat ein Erstarken der zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation auch neue soziale Gemngüter geschaffen: Foodkooperativen, Interkulturelle Gärten oder gemeinschaftliche Wohnprojekte.
Wir können Gemeingüter als Grundbestandteil und Voraussetzung unseres gemeinschaftlichen Reichtums verstehen. Dann sind wir angehalten, technische Systeme dahingehend zu prüfen, ob sie bestehende soziale, natürliche und kulturelle Gemeingüter, die für unser Gemeinwohl als auch for das Gedeihen alles Lebendigen wichtig sind, nicht gefährden. Im Idealfall pflegen sie sie sogar. Wir sollten zudem prüfen, ob und wie sie den Aufbau neuer Gemeingüter, die unser aller Wohl dienen, befördern. (4)
(1) Anwendungsfelder werden derzeit für die Bereiche Supply Chain Management bei der Güterproduktion und -verbreitung, beim Smart Grid in der Stromverteilung, bei der Film- und Musiklizenzierung, der Provenienzsicherung von Erzeugnissen der Bildenden Kunst, im Wertpapierhandel, im Besteuerungswesen, im Registerwesen, der Wirtschaftsprüfung, bei der Organisation von Crowdworking und dem Internet der Dinge vorbereitet.
(2) Trent McConaghy, Jan-Peter Doomernik und Dimitri de Jonghe: Nature 2.0 – The Cradle of Civilization Gets an Upgrade; Medium, 6. Juni 2018; https://medium.com/@trentmc0/nature-2-0-27bdf8238071
(3) Definition der sogenannten Brundtland-Kommission. Siehe Hauff (Hrsg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung; Greven: Eggenkamp-Verlag; S. 26
(4) Elinor Ostrom: Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter; München: Oekom-Verlag 2011;
https://www.solawi.ch/wordpress-solawi/wp-content/uploads/was_mehr_wird_wenn_wir_teilen.pdf